Transformationspfade: Industrie fällt im internationalen Wettbewerb zurück

Die deutsche Industrie steht durch die jüngsten geopolitischen Entwicklungen und die Bewältigung der Transformation hin zur Klimaneutralität unmittelbar vor ungekannten ernsten Herausforderungen. Aus diesem Grund hat sich der BDI entschlossen, gemeinsam mit der Boston Consulting Group (BCG) und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) diese Herausforderungen präzise zu ermitteln und anschließend Empfehlungen daraus abzuleiten. Angesichts der aktuellen Situation möchten wir erste Analysen zur Strompreisentwicklung bereits jetzt öffentlich nutzbar machen.

In der Studie “Klimapfade 2.0” von BDI und BCG haben wir 2021 dargelegt, dass die Transformation des Industrielands Deutschland gelingen kann, wenn ein umfassendes Bündel politischer Maßnahmen dafür auf den Weg gebracht wird.

Hierzu zählt neben umfassenden Infrastruktur- investitionen vor allem eine Unterstützung der Industrie bei der Umstellung von Gas auf absehbar teureren Strom und grünen Wasserstoff. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum aktuellen Bundeshaushalt macht eine grundlegende Prüfung aller Ausgaben erforderlich. Dies hat bei vielen Unternehmen, die ihren Transformationspfad planen, zu erheblicher Verunsicherung geführt.

Dieses Papier beschreibt die aktuelle und zukünftige Stromkostensituation der deutschen Industrie sowie die erwarteten Wirkungen des Strompreispaketes. Mögliche Einschränkungen bei der Unterstützung der Transformationsleistungen der Unternehmen würden zu einer neuen, deutlich schwierigeren Bewertung führen.

Die Kernergebnisse

Die Produktion der (energieintensiven) Industrie steht in Deutschland seit der Energiekrise unter erheblichem Druck: Die deutsche Industrie erwirtschaftet mehr als ein Fünftel der deutschen Bruttowertschöpfung. Aktuell lässt ihre Wachstumsdynamik allerdings spürbar nach. Neben vereinzelten Nachfragerückgängen ist das v.a. bedingt durch den Produktionseinbruch energieintensiver Industriezweige

Industrielle Verbraucher zahlen in Deutschland sehr unterschiedliche Strompreise: Diese reichen von derzeit ca. 80 Euro/MWh für maximal entlastete Unternehmen (z.B. in der Aluminiumproduktion) bis zu ca. 190 Euro/MWh für Unternehmen mit geringer Strompreisentlastung (z.B. im Fahrzeugbau).

Spätestens seit der Energiekrise sind deutsche Strompreise im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig: Im Vergleich zu Wettbewerbern in China und den USA müssen deutsche Unternehmen aktuell Mehrkosten von ca. 30 Euro/MWh bis 100 Euro/MWh tragen.

Das angekündigte Strompreispaket schafft kurzfristig erste Stabilisierung, schließt aber nicht die Lücke zum internationalen Wettbewerb: Von insgesamt ca. 12 Mrd. Euro Finanzierungsvolumen pro Jahr entfallen voraussichtlich ca. 10 Mrd. Euro auf die Verlängerung bestehender Maßnahmen sowie auf die Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte. Damit liegt der Schwerpunkt auf der Vermeidung zusätzlicher Belastungen, nicht aber auf Entlastungen der heutigen Kosten. Deshalb bleibt der internationale Wettbewerbsnachteil bei den Stromkosten auch bei Einführung des Strompreispakets bestehen.

Bis 2030 könnte zumindest eine kleine Gruppe sehr stromintensiver Industrieunternehmen unter Voraussetzungen wieder wettbewerbsfähige Strompreise erhalten: Unter bestimmten Voraussetzungen könnten sich effektive Preise für sehr stromintensive Unternehmen mit über 20 Prozent Stromkostenintensität bis 2030 dem internationalen Wettbewerb wieder annähern, in dem die betroffenen Unternehmen in der aktuellen Hochphase kaum bestehen können. Diese Voraussetzungen wären zum einen ein erfolgreicher Ausbau von erneuerbaren Energien, Kraftwerken und Netzen nach aktueller Planung. Andernfalls könnten deutliche Strompreisanstiege durch Engpässe in der Stromerzeugung entstehen. Zum anderen wären eine Fortführung bestehender Ausnahmeregelungen (Strompreiskompensation, Supercap, reduzierte Netz- entgelte) nach den heutigen Regelungen Voraussetzung.

Für alle anderen Unternehmen mit geringeren Entlastungen öffnet sich die Schere jedoch eher weiter Die geplante Absenkung der Stromsteuer bis 2025 bzw. 2029 kompensiert steigende Stromkosten zwar in der Breite, aber nur zu einem Teil und gibt kaum Sicherheit für Investitionen. Insbesondere Unternehmen ohne oder mit nur geringen Entlastungen zahlen 2030 daher bis zu drei Mal so viel für Strom wie Wettbewerber in China und den USA. Bei besonders wärmeintensiven Unternehmen können die Nachteile des Wegfalls des Energiesteuerspitzen- ausgleichs die Effekte des Strompreispaketes überwiegen.

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