„Wenn wir die Bevölkerung verlieren, werden wir bei Klimaschutz und Energiewende scheitern“

Nachhaltigkeit ist mehr als Klimaschutz – es geht auch um Wohlstand und letztlich um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Prof. Dr. Estelle Herlyn, Wissenschaftliche Leiterin des KompetenzCentrums für nachhaltige Entwicklung an der FOM Hochschule Düsseldorf, warnt vor einseitigen Strategien und mangelnder Akzeptanz. Im Interview erklärt sie, warum technologische Offenheit, internationale Kooperation und Realismus entscheidend sind, damit Klimaschutz gelingen und das Wohl der Menschen gewahrt werden kann.

ElektroWirtschaft: Frau Professor Herlyn, Sie haben einen Vortrag mit dem Titel „Nachhaltigkeit und Energie: Sind wir noch zu retten?!“ gehalten. Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen und was stimmt Sie trotz allem optimistisch?

Prof. Estelle Herlyn: Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass Nachhaltigkeit weit über Umwelt- und Klimaschutz hinausgeht. Ein gleichrangiges Ziel ist die Entwicklung. Also die Frage, wie alle Menschen gut leben können. Diese beiden Dimensionen gehören untrennbar zusammen. Dabei spielt Energie eine zentrale Rolle: Rund 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen stammen aus dem Energie- und energienahen Bereich. Gleichzeitig ist Energie die Voraussetzung für Wohlstand und Entwicklung. Scheitern wir bei der Energiewende, steht beides auf dem Spiel. Aktuell zeigen sich in Deutschland Wohlstandsverluste und zu geringe Fortschritte beim Klimaschutz. Die Emissionen sinken, weil Unternehmen pleitegehen oder das Land verlassen. Das kann keine nachhaltige Lösung sein. Ich bin trotzdem optimistisch, weil zumindest prinzipiell nichts dagegenspricht, dass wir es schaffen. Lösungen liegen auf dem Tisch. Wir müssten diese konsequent verfolgen und vieles anders denken als heute, um das enorme Optimierungspotenzial zu erschließen, das es gerade in Deutschland gibt.

ElektroWirtschaft: Sie betonen, dass Nachhaltigkeit mehr ist als Klimaschutz. Wie wichtig ist es, ökologische, soziale und ökonomische Aspekte endlich gemeinsam zu denken?

Prof. Estelle Herlyn: Genau das ist unser größtes Versäumnis der letzten Jahrzehnte: Wir haben Nachhaltigkeit viel zu oft auf Umwelt- und Klimaschutz reduziert. Doch wer die Zusammenhänge konsequent zu Ende denkt, erkennt: Ökologische, soziale und ökonomische Ziele lassen sich nur gemeinsam erreichen oder gar nicht. Erschütternd ist für mich dabei, dass es all diese klugen Gedanken schon vor 50 Jahren gab. Bereits 1972, auf der ersten Weltumweltkonferenz, mahnte die indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi, den Menschen müsse gezeigt werden, dass Umwelt- und Klimaschutz kein Nachteil für sie ist. Genau vor dieser Aufgabe stehen wir heute in Deutschland. Wenn uns das nicht gelingt, scheitert am Ende das gesamte Nachhaltigkeitsprojekt.

Das gesamte Interview finden Sie in der neue Ausgabe der ElektroWirtschaft: 12/2025.

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