Einheimische Patente stärken Chinas technologische Unabhängigkeit

In den vergangenen Jahren hat China die USA als weltweit führende Patentnation abgelöst. Doch während die Zahl der Patentanmeldungen weiter steigt, geht der durchschnittliche Innovationsbeitrag eines chinesischen Patents zurück – ebenso wie die Wachstumsrate der für den technologischen Fortschritt entscheidenden Spitzenpatente. Zugleich bestimmen einheimische Erfindungen die Ausrichtung der chinesischen Innovation zunehmend. Dies geht aus einer aktuellen Studie des ZEW Mannheim hervor, die gemeinsam mit der University of Toronto, der Central University of Finance and Economics sowie der Goethe-Universität Frankfurt erstellt wurde. Die Entwicklung hat Implikationen für das Wirtschaftswachstum Chinas und lässt mögliche Auswirkungen der chinesischen Politik erkennen.

„Der Beitrag ausländischen Wissens – insbesondere aus den USA – zur chinesischen Innovation ist zuletzt deutlich zurückgegangen. Das lässt auf eine wachsende Unabhängigkeit Chinas schließen“, erklärt Prof. Dr. Philipp Böing, Ko-Autor der Studie und Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“. „Während Patentanmeldungen aus dem Ausland und Anmeldungen ausländischer Unternehmen in China nur noch einen geringen Anteil ausmachen, stammt der Großteil der Anmeldungen beim chinesischen Patentamt inzwischen von chinesischen Privatunternehmen und Universitäten. Zum Vergleich: In China lag der Anteil ausländischer Patentanmeldungen zuletzt bei lediglich 10 Prozent – in den USA beträgt er hingegen rund 50 Prozent.“

Qualität der Spitzenpatente sinkt

Die Analyse zeigt aber auch: Der Innovationsbeitrag einzelner chinesischer Erfindungen nimmt kontinuierlich ab und geht mit einem höheren Patentaufkommen und stärkerer Spezialisierung einher. Während die Anzahl qualitativ hochwertiger, für den technologischen Fortschritt entscheidender Patente weiterhin zunimmt, ist die Wachstumsrate jedoch rückläufig. Diese Entwicklungen spiegeln teilweise globale Trends beim Rückgang der Innovationskraft sowie die Patentstrategien anderer Länder wider. Im direkten Vergleich wird zum Beispiel deutlich, dass inzwischen mehr als die Hälfte der chinesischen Patente einen höheren Beitrag zu Chinas technologischem Fortschritt leisten, als die US-Patentanmeldungen in China.

Technologische Eigenständigkeit vs. geoökonomischer Wettbewerb

Weiterhin zeigt die Studie, dass einflussreiche Patentanmeldungen in China häufiger von Staatsbetrieben stammen, gefolgt von Privatunternehmen und erst danach von ausländischen Unternehmen. Patente aus dem Inland – einschließlich der Beiträge von Universitäten und Forschungsinstituten – übertreffen Patentanmeldungen aus dem Ausland insgesamt an Bedeutung. Es zeichnet sich ein Entwicklungsszenario ab, in dem China bereits langfristig auf einheimische Erfindungen setzt und seine Technologieabhängigkeit vom Ausland zunehmend verringert. „Dieser Kurs in Richtung technologischer Eigenständigkeit eröffnet China einerseits neue Chancen, etwa durch die gezielte Förderung nationaler Forschungs- und Produktionskapazitäten. Andererseits sind damit aus internationaler Perspektive erhebliche Herausforderungen verbunden – insbesondere im Hinblick auf die internationale Forschungskooperation und den geoökonomischen Wettbewerb“, ordnet Böing ein.

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