Corona-Krise verschärft Probleme bei der Energiewende

Die Lockdowns zur Eindämmung von COVID-19 haben dem Klima weltweit zwar eine kurze Atempause verschafft. Gleichzeitig wird die deutsche Energiewende im Zuge der Pandemiebekämpfung allerdings weiter ausgebremst. Vor allem der Windkraft- und Netzausbau kommen nicht voran, die Zahl der Arbeitslätze in erneuerbaren Energien geht zurück. Zu diesem Fazit kommt McKinsey im neuesten Energiewende-Index. Bereits seit 2012 untersucht McKinsey darin halbjährlich den Status der Energiewende in Deutschland anhand 15 ausgewählter Indikatoren. Aktuelles Ergebnis: Zwar sind acht der 15 Ziele noch realistisch zu erreichen, drei davon stehen aber auf der Kippe. Für fünf Indikatoren ist die Zielerreichung schon länger „unrealistisch“. Bei zwei weiteren besteht Anpassungsbedarf.

COVID-19 – Bremsverstärker für die Energiewende

Schon vor Ausbruch der Pandemie war die Energiewende ins Stocken geraten, etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) oder bei Investitionen in nachhaltige Technologien. Die Corona-Krise verstärkt diese negativen Trends: Im ersten Halbjahr 2020 wurden Windkraftanlagen an Land und auf See mit einer Leistung von nur 811 MW errichtet. „Das sind zwar 50% mehr als der historisch schwache Zubau im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres, aber nur die Hälfte des Zubaus im ersten Halbjahr 2018“, stellt McKinsey-Seniorpartner Thomas Vahlenkamp, Co-Autor des Energiewende-Index, fest. Er warnt: „Bis zu 15 Prozent aller EE-Projekte in Europa könnten durch die Corona-Pandemie verzögert oder annulliert werden.“ 

Auch der Corona-Einfluss an den Energiemärkten wirke sich negativ auf die Energiewende aus, denn niedrige Börsenpreise machen die Nutzung konventioneller Energien attraktiver und bremsen den Ausbau von Erneuerbaren gleich zweifach: Niedrige Rohstoff- und CO2-Preise schmälern die Investitionsanreize für Unternehmen, und niedrige Strompreise mindern die Rentabilität von Wind- und Solarparks.  Das hält Projektentwickler vom Abschluss neuer Stromabnahmeverträge ab. 

30 Prozent CO2-Senkung fehlen noch bis 2030

Um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, müsste Deutschland seine CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 reduzieren. Aus heutiger Sicht fehlen dazu weitere 30 Prozent Senkung. Auf dem Höhepunkt des Lockdown Anfang April ging der tägliche CO2-Ausstoß in Deutschland nach ersten Schätzungen um rund 26 Prozent zurück. Würden die Emissionen dauerhaft auf diesem Niveau bleiben, wären die Klimaziele bis 2030 nahezu erreicht. „Doch das ist unrealistisch und wäre mit einem hohen volkswirtschaftlichen Schaden verbunden“, urteilt McKinsey-Partner Ingmar Ritzenhofen. Immerhin sei die drastische CO2-Absenkung im Frühjahr nur möglich gewesen durch eine ebenso drastische Einschränkung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens.

Realistischer sei, dass im Zuge von Lockerungen und wirtschaftlicher Erholung die CO2-Einsparungen auf das gesamte Jahr gerechnet deutlich niedriger ausfallen. Die EU-weiten Einsparungen in diesem Jahr bewegen sich je nach Entwicklungsszenario zwischen 5,1 Prozent und 8,5 Prozent. In Deutschland entspricht dies einer Reduktion um 41 bis 68 Megatonnen (Mt). 

Sollte sich die Konjunktur schnell erholen, könnte sich der „Corona-Effekt“ sogar komplett verlieren, so Ritzenhofen. Der Blick nach China lege dies nahe: Schon sieben Wochen nach dem schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft kehrte die Kohleverstromung auf ihr Vorkrisenniveau zurück. Chinas Luft hatte Anfang Mai wieder die gleiche Schadstoffbelastung an Feinstaub und Schwefeldioxid wie vor Ausbruch der Pandemie.   

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