„Das Gebäude war lange ein Stiefkind der Energiewende“

Im Interview mit der ElektroWirtschaft spricht Daniel Hager, Vorsitzender der ZVEI-Plattform Gebäude und Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Elektroinstallationssysteme, über die Schlüsselposition des Gebäudesektors hinsichtlich der Energiewende, die größten Herausforderungen bei der Sanierung sowie die neugegründete Plattform Gebäude.

ElektroWirtschaft: Warum hat der Gebäudesektor bezüglich Klimaschutz und Energiewende eine Schlüsselposition inne?

Daniel Hager: In Deutschland entfallen ein Drittel des Energieverbrauchs und rund 30 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen auf den Gebäudesektor. Lange war das Gebäude eine Art Stiefkind der Energiewende. Die Politik wollte es zwar warm einpacken, betrachtete Wohn- und Zweckgebäude aber vorrangig unter defizitären Aspekten: Es sollte weniger fossile Energie für die Wärmeerzeugung verwendet und weniger Wärme an die Umgebung abgegeben werden. Grundsätzlich sinnvoll ist höhere Effizienz auf jeden Fall. Doch mittlerweile wird auch erkannt: Das Gebäude stellt eine Art Drehkreuz für die Energiewende dar. Denn es kann – beispielsweise über Dächer und in die Fassade integrierte Photovoltaik – selbst Energie erzeugen. Sowohl die Wärmetechnik, als auch Akkuzellen im Keller bieten eine Speichermöglichkeit für fluktuierend erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen. Ladepunkte zuhause und am Arbeitsplatz sind der Schlüssel für den Durchbruch der Elektromobilität. Und nicht zuletzt: Die vernetzte digitale Steuerung all dieser Subsysteme bietet einen enormen Nutzen für die Stabilität der gesamten Stromversorgung. Nur durch eine aktive Gebäudewende können die 2030 und 2050 Ziele hin zu einem klimaneutralen Gebäudebestand erreicht werden.

ElektroWirtschaft: Was ist die größte Herausforderung im Bereich der Gebäudesanierung und wie kann die Elektrobranche helfen, sie zu meistern?

Daniel Hager: Die größte Herausforderung bietet gleichzeitig das größte Potenzial. Ein Großteil der Gebäude in Deutschland sind nicht energiewendefähig. Daher muss die Modernisierungs- und Sanierungsrate, die seit langem bei ca. einem Prozent stagniert, auf drei Prozent pro Jahr erhöht werden. Die Technologien sind vorhanden, gerade auch aus der Elektroindustrie. Unsere Branche kann neben Energieeinsparung auch digitale Angebote machen und letztlich für zukunftssichere Anwendungen mit Funktionalität und Mehrwert sorgen. Technische Gebäudeausrüstung etwa birgt ein enormes Potenzial für Energiewende und Klimaschutz, die gilt es zu heben.

ElektroWirtschaft: Inwieweit treiben die Digitalisierung und die Energiewende die Renovierungswelle im Gebäudebestand voran?

Daniel Hager: Noch sind wir am Anfang, die Chancen und Technologien sind vorhanden. Die zunehmende Digitalisierung macht natürlich auch vor dem Gebäude nicht halt und sie birgt mit den damit verbundenen Automatisierungstechnologien einiges an Potenzial, gerade auch in Sachen Energieeffizienz. Aber: Wir benötigen den richtigen Rahmen. Dafür muss die Politik die entsprechenden Weichen stellen und Anreize setzen. Dann werden auch weitere Innovationen mit neuen Geschäftsmodelle folgen.

Sie möchten weiterlesen? Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der Juni-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop.

Print Friendly, PDF & Email

Comments are closed.