„Die persönlichen Begegnungen sind durch nichts zu ersetzen“

Torsten Schulz, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei der Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, und Stefan Frevel, Vertriebsleiter, erklären im Interview mit der ElektroWirtschaft, wie das Unternehmen die bisherige Corona-Pandemie erlebt hat und geben einen Überblick über Ihre Neuheiten und Ziele.

ElektroWirtschaft: Zu Beginn des Jahres herrschte in der Elektrobranche noch Aufbruchstimmung. Welches Zwischenfazit ziehen Sie in diesem besonderen Jahr 2020?

Torsten Schulz: Bis jetzt sieht es gar nicht so schlecht aus – nicht nur bei Hager, sondern in der gesamten Branche. Wir haben zu Beginn der Corona-Krise mit deutlichen Einschnitten und Differenzen zu der ursprünglichen Planung gerechnet, haben umfassende Sicherheitsmaßnahmen zum Infektionsschutz realisiert und die Planungen angepasst, um entsprechende Reserven und Korrekturen zu ermöglichen. Im Laufe des Jahres – nach Fotos: Hager März und April – verbesserte sich die Lage zusehends. Die Erwartungen des Elektrohandwerks schlugen von einer relativ pessimistischen Prognose schnell um in eine durchschnittliche bis optimistische Richtung. Insofern blieb der deutsche Markt sehr stabil im Verhältnis zu anderen europäischen und außereuropäischen Märkten. Als Fazit können wir ziehen: Für uns als Hager Vertriebsgesellschaft in Deutschland haben wir ein gutes Ergebnis erwirtschaftet. Das heißt, wir haben zu großen Teilen unsere Ziele erreicht und sehen einem ordentlichen Jahresabschluss entgegen. Alles hängt jetzt natürlich von der weiteren Entwicklung bis zum Jahresende ab. Für mich ist vor allem wichtig, wie die Bundesregierung in den kommenden Wochen das Land organisieren wird, damit berechenbare Verhältnisse für alle Akteure hergestellt werden. Die unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer erschweren unsere Planungen und Organisation.

Torsten Schulz

ElektroWirtschaft: Wie ist die Prognose für 2021?

Torsten Schulz: Für unsere Planung im nächsten Jahr prüfen wir insbesondere die Baukonjunktur. Unterteilt in drei Bereiche kann man sagen: Der Wohnbau in Deutschland ist sehr stabil, auch in der Krise. Hier wird für das nächste Jahr prognostiziert, dass das Bauvolumen um 2,5 Prozent wachsen wird. Beim Wirtschaftsbau, der sich 2021 sicherlich nicht so voluminös entwickeln wird, haben wir eine Prognose von minus 2,5 Prozent. Der öffentliche Bau, der natürlich stark von Anreizen durch den Staat getrieben sein wird, liegt bei einer Prognose von 2 Prozent Wachstum. Das macht für Hager im Mix umgerechnet auf unser Portfolio ein Wachstum von 1,7 Prozent aus. Wir sehen: Die Bauwirtschaft ist insgesamt weiterhin recht robust und stabil.

ElektroWirtschaft: Hager hat Unternehmensstandorte in Deutschland und in Frankreich. In Zeiten der Coronakrise sicher eine besondere Herausforderung. Sie sind der Corona-Beauftragte, welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?

Torsten Schulz: Die Corona-Krise ist natürlich auch für uns eine große Herausforderung. Wir mussten für unsere Mitarbeiter schnell die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice realisieren. In den Werken galt es, eine maximale Sicherheitsstufe herzustellen – von Temperaturchecks über Hygienemaßnahmen zum Infektionsschutz bis hin zum Umbau der Produktion. Das alles passierte im April. In Obernai haben wir eine vollautomatisierte Produktion. Dort mussten wir Anpassungen vornehmen, um die Abstände zwischen den Mitarbeitern einhalten zu können – das kostete uns zehn Tage. Dies führte in einer empfindlichen Phase, als der Elektrogroßhandel seine Bestände aufgebaut hat und die Nachfrage sehr hoch war, zu sensiblen Schwankungen. Sämtliche Messen, von der Light + Building bis zu den Großhandelsmessen, finden in diesem Jahr nicht statt – ich finde das richtig. Das Kundenerlebnis steht bei einer solchen Veranstaltung im Vordergrund, kann jedoch in der jetzigen Situation nicht in ausreichendem Maß vermittelt werden. Messen sind in unserer Branche so wichtig, die Sehnsucht nach persönlichen Begegnungen ist groß – wenn sie wieder stattfinden dürfen, werden sie noch mehr Wert bekommen. Ich bin überzeugt von einer Renaissance der Messen, aber das geht nur mit voller Kraft und nicht mit halber Mannschaft oder anderen Beschränkungen. Die Entscheidungen für die Veranstaltungen im Quartal 1/2021 werden sicher in den kommenden Wochen getroffen.

ElektroWirtschaft: Wurde der aktuelle Digitalisierungstrend durch Covid-19 weiter beschleunigt? Ist die Zusammenarbeit zwischen dem Elektrogroßhandel und der Elektroindustrie noch weiter gestärkt worden?

Stefan Frevel: Absolut und das ist mir auch sehr wichtig. Wir gehen jetzt mit großem Tempo Dinge an, für die wir vorher Jahre benötigt hätten. Die Arbeitsumgebung wird flexibler: mobiles Arbeiten, moderne Arbeitsmodelle und flexible Arbeitsplätze. Wir haben ein neues Konzept zur Anwesenheit im Büro erarbeitet. Im Grunde von heute auf morgen haben wir alle Mitarbeiter mit Laptops, Tablets und den nötigen Zugängen ausgestattet, damit sie auf den verschiedensten Kanälen sofort im digitalen Kontakt mit unseren Kunden stehen können. Und alternative Modelle sind natürlich auch beim Handwerk nötig: der persönliche Austausch muss extern wie intern aufrechterhalten werden. In einer Krise sieht man ja bekanntlich, was gute Beziehungen wert sind – das können wir nur bestätigen. Wir sind in den letzten Monaten noch enger mit unseren Kunden und Partnern zusammengewachsen.

Stefan Frevel

Anmerkung: Das Interview wurde am 7.10.2020 geführt.


Sie möchten weiter lesen? Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der November-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop.

Print Friendly, PDF & Email

Comments are closed.