„Unsere Haltung bestimmt unsere Zukunft“

Für viele war es eine der ersten offiziellen Veranstaltungen nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie: Am 17. und 18. September tagten die Jungen Führungskräfte im VEG im märchenhaften Marburg, genauer gesagt, bei der Alfred Pracht Lichttechnik GmbH in Dautphetal. Insgesamt 25 Teilnehmer trafen sich zum Thema „Gestern. Heute. Morgen“. Produktive Workshops, inhaltsreiche Impulsvorträge und das gemeinsame Networking standen – unter Corona- Bedingungen – im Mittelpunkt.

In der Vorbereitung für die diesjährige Tagung sind der Redaktion der ElektroWirtschaft die Gruppenbilder der vergangenen Jahre in die Hände gefallen. Dicht an dicht, ein aktuell befremdlicher Anblick. Nicht nur die Teilnehmer, auch die Gastgeber haben sich im Vorfeld viele Gedanken zu Corona und zur Umsetzung der Veranstaltung gemacht. Doch so viel sei vorab verraten: Es gibt auch in diesem Jahr ein – corona-konformes – Gruppenbild und wie Geschäftsführer Jonathan Pracht während der Tagung immer wieder deutlich machte: „Sehen Sie nicht nur die negative Seite der Krise. Was können wir Positives aus dieser Zeit mitnehmen und gleichzeitig auch fortführen?“

Die Teilnehmer der diesjährigen Tagung.

Praktische Werkzeuge

Aber nun von vorne: Das malerische Marburg zeigte sich wettertechnisch von der sonnigsten Seite, so konnten die ersten Programmpunkte ins Freie verlagert werden. Referent Dirk Baesel von Baesel Consulting lud zum gemeinsamen Workshop ein. Ziel- und Zeitmanagement, Konfliktmanagement und Verhandlungstechniken standen auf der Agenda. Baesel lieferte zahlreiche Impulse: Wie setzen wir Prioritäten? Was killt unsere Zeit? „Zeit kann man nicht managen, denn sie ist da. Wir können aber entscheiden, wie wir mit der Zeit umgehen“, betonte er und machte deutlich: „Viele Unternehmen kümmern sich zu viel um die eigenen Prozesse, gerade in der Corona-Zeit, und verlieren ihre Kunden aus dem Blick.“

Auch das brisante Thema Konfliktmanagement wurde aufgegriffen. In den Kleingruppen war man sich während des Workshops einig: Man kann Konflikten mehr positive Dinge abgewinnen als negative. Ganz praktisch wurde es dann auch zum Ende des Workshops: Wie gestalte ich Verhandlungen erfolgreich, ob mit Kunden oder Mitarbeitern? Wie bereite ich mich am besten vor und wie eröffne ich das Gespräch? Was beeinflusst den ersten Eindruck? „7-38-55 – merken Sie sich diese Zahlen“, sagte Baesel. Die Wortbedeutung fällt mit sieben Prozent ins Gewicht, wohingegen unsere Stimme und Betonung mit 55 Prozent und die Körpersprache mit 38 Prozent ein deutlich höheres Maß an Bedeutung haben. Absolut passend zeigt sich hier die Aussage von Jonathan Pracht: „Unsere Haltung bestimmt unsere Zukunft.“ Und damit ist nicht nur die Körperhaltung, sondern vor allem das Mindset gemeint.

„Es war einmal…“

Die formelle Begrüßung des Gastgebers der Veranstaltung folgte am Abend des ersten Tages durch Firmenchef Jonathan Pracht. Das Beisammensein stand unter dem Stern der Historie des Unternehmens. Referent Jürgen Vieth entschlüsselte im Märchenstil, ganz wie es sich für die Gebrüder Grimm Stadt Marburg gehört, die Pracht-DNA. Angefangen hat es im Erdgeschoss des Wohnhauses von Unternehmensgründer Alfred Pracht, dort ist die erste Pracht-Leuchte entstanden. 1980 übernahm Friedhelm Pracht nach dem plötzlichen Tod des Vaters gemeinsam mit seiner Mutter Margarethe Pracht das Unternehmen. Viele Jahre später, genauer gesagt 2011, startete die vierte Generation durch und Jonathan Pracht wurde zusammen mit seinem Vater Geschäftsführer. 2019 übergab Professor Dr. Friedhelm Pracht den Staffelstab dann an seinen Sohn Jonathan Pracht. Beim abendlichen Ausklang blieb viel Zeit für den Austausch zwischen Gastgeber und Teilnehmern.

Jonathan Pracht. (Fotos: Pracht)

Digitalisierung vs. Nachhaltigkeit

Hausherr Jonathan Pracht begrüßte die Teilnehmer am zweiten Veranstaltungstag in Buchenau und stieg mit seinem Vortrag „Licht im Spannungsfeld von Digitaler Transformation und Ökologie“ thematisch in den Tag ein. Es sei ein absoluter Irrglaube, dass die Digitalisierung Nachhaltigkeit mit sich bringt. Der wahre ökologische Preis der Digitalisierung sei aktuell (noch) nicht erfasst. Pracht appelliert an den Elektrogroßhandel, das Thema Nachhaltigkeit zu kommunizieren, eine Multiplikator-Rolle einzunehmen und den Kunden nachhaltige Alternativen aufzuzeigen. Nachhaltigkeit zeigte sich auch bei der anschließenden Werksführung. Praktizierte Nachhaltigkeit und integrierte Produktverantwortung zum Nutzen der Kunden bilden die Grundlage bei Pracht für ein zukunftsorientiertes und international tätiges Familienunternehmen. Neu entwickelte Leuchten-Systeme stehen im Zeichen der Ressourceneffizienz, Recyclingfähigkeit und intelligenten Wiederverwertung von wertvollen Rohstoffen. Nicht nur die Leuchte selbst, auch das Verpackungsmaterial ist ein großes Thema: Kartonage wird wiederverwendet und spezielle Leinensäcke ersetzen die üblichen Verpackungen. Pracht betonte: „Nachhaltigkeit darf nicht weiter als Kollateralschaden – oder Nutzen gesehen werden, sondern muss ein Teil der Kette werden.“

Nicht nur Nachhaltigkeit, auch der Kundenfokus im mehrstufigen Vertrieb steht im Mittelpunkt. Das betonte Thomas Scherer, Geschäftsführer CSO Pracht, in seinem Vortrag. Zwar haben Online-Riesen eine völlig neue Kundenansprache im Markt generiert – ohne den klassischen Außendienst – aber: „Wir haben in unserer Branche eine sehr stabile Struktur, quasi eine Seilschaft, die gemeinsam den Gipfel des Erfolges immer wieder erklommen hat und diesen auch gleichzeitig immer wieder neu definieren muss.“ Für eine große Überraschung und etwas Verwunderung sorgte zum Abschluss der Werksführung die Neuheit aus dem Hause Pracht: Das Lichtunternehmen steigt in das Geschäftsfeld Elektromobilität ein.

Anja Förster

Was kann ich tun, was ich so noch nie getan habe?

Den Abschluss lieferte die Keynote-Speakerin Anja Förster von Förster & Kreuz mit dem spannenden Appell „Anstiftung zum Andersdenken“. Der Vortrag drehte sich um das Thema Zukunftsfähigkeit und die Herausforderung, Antworten für den Umgang in einer sich stark verändernden Welt zu finden. So betonte sie beispielsweise deutlich: „Ja, auch die Coronakrise kann eine Chance sein.“

Es beginnt also bei uns selbst, denn Routinen aller Art sind heute sehr leicht durch Maschinen, Systeme und Prozesse zu ersetzen. Als Konsequenz werden diese Routinen immer stärker an Maschinen ausgelagert. Der Mensch hingegen wird zum Original. Ein Original zu sein heißt: Mit Engagement, Mut und Cleverness neue Wege zu erschließen, wo andere bisher nur Grenzen gesehen haben. Mit unvoreingenommenem Blick über den Tellerrand des eigenen Geschäftes blicken, traditionelle Überzeugungen hinterfragen, Experimente wagen und Misserfolge analysieren.

Dazu braucht es eine Kultur, in der die Bereitschaft zur Veränderung ebenso selbstverständlich ist, wie die Fähigkeit, Neues zu entwickeln und umzusetzen. Das wiederum erfordert die Bereitschaft zu Experimenten und einer echten Lernkultur, denn es können keine Innovationen geschaffen werden, wenn man nicht gewillt ist, auch Irrtümer zu akzeptieren. Abschließend bekamen die Teilnehmer noch die Aufgabe mit auf den Weg, sich eine bestimmte Frage mindestens einmal wöchentlich zu stellen.

Die Krise testet uns, so viel ist sicher. „Wir stehen allerdings gut da, gerade im Vergleich zu anderen Branchen“, erklärte Dr. Hans Henning, VEG-Hauptgeschäftsführer, im Anschluss während des internen VEG-Meetings. Es wird weiterhin in die Gegenwart und die Zukunft investiert, besonders im Ausbildungsbereich. Das modernisierte Berufsbild „Kauffmann/Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement“ ist am 1. August 2020 gestartet und bildet den passenden Rahmen für die neue Dynamik im Elektrogroßhandel an. Mit einem gemeinsamen Abendessen und einer märchenhaften Führung durch das malerische Marburg schlossen die zwei ereignisreichen Tage ab. Und wir halten fest: Persönlicher Kontakt ist unverzichtbar!

Die nächste Tagung der Jungen Führungskräfte im VEG findet voraussichtlich vom 30. September bis 01. Oktober 2021 bei Mennekes in Kirchhundem statt.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der Oktober-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop.

Die Tagung im Video-Rückblick.
Anja Förster liefert neue Impulse.

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