Kay-Uwe Mihm

„Wir müssen gewerkeübergreifend Fachwissen und Kompetenz aufbauen“

Als im Jahre 1888 Berta Benz mit ihren Kindern im August während der Schulferien von Mannheim nach Pforzheim fuhr, mussten sie Benzin in Apotheken kaufen. Damals hieß Benzin noch Ligroin und ihr Mann war sich damals nicht sicher, ob der von ihm 1886 angemeldete Patentwagen jemals zu einem Erfolg werden würde, da der Aufwand von Apotheke zu Apotheke fahren zu müssen, zu groß schien. Wenn ich mir den Anfang und die heutige Zeit der Elektromobilität anschaue, sieht man hier deutliche Parallelen.

Wenn man sich heute mit Branchenexperten der Automobiloder Kraftfahrtindustrie inklusive Nutzfahrzeugen unterhält, so erntet man meist Unverständnis, wenn man das Thema Elektromobilität anspricht. Dies ist ja auch nachvollziehbar, wenn diese ihr ganzes Berufsleben lang Verbrennertechnik entwickelt haben, sie zur Marktreife gebracht hat und mit dieser Technologie Weltkonzerne aufgebaut haben, die nachweislich zu den besten der Zunft gehören. Wir, die wir größtenteils in der Elektrotechnik groß geworden sind, haben hier einen anderen Bezug zu den Produkten und zur Technologie.

Der größte Vorteil eines elektrischen Antriebs, eines elektrischen Motors, einer elektrischen Maschine, ist ihr hoher Wirkungsgrad. Dieses ist nicht neu und einfach eine physikalische Grundlage, da der Wirkungsgrad mit einem Elektromotor deutlich höher ist als bei einem Verbrennungsmotor. Dass Energie wichtig und teuer ist, führt dazu, dass hier neue und wirtschaftliche Prozesse angestoßen werden. Wir fahren keine Dieselfahrzeuge, weil wir den Geruch und die Geräusche von Dieselmotoren so toll finden, sondern weil der Unterhalt der Fahrzeuge günstig ist. Dieses wird nun zu einer Trendwende führen. Denn elektrische Antriebe haben aufgrund des hohen Wirkungsgrades eine deutliche Reduzierung der Unterhaltskosten zur Folge. Dagegen stehen weiterhin noch höhere Produktions- und Anschaffungskosten der Fahrzeuge und der Aufbau von Ladeinfrastruktur.

Ladeprozesse werden zum größten Teil im privaten Umfeld durchgeführt., d.h. wenn das Auto in der Garage oder auf dem Parkplatz zu Hause steht, wird das Auto geladen. Die größte Zeit steht ein Fahrzeug und wird nicht bewegt. Und in dieser Zeit habe ich immer die Möglichkeit, das Auto auch mit geringer Ladeleistung entsprechend voll zu laden. Für diejenigen, die nicht in einem Eigenheim wohnen oder in einer Garage parken, wird es die Möglichkeit geben, das Fahrzeug im öffentlichen Raum zu laden. Arbeitgeber werden ihren Mitarbeiter/-innen immer mehr Lademöglichkeiten zur Verfügung stellen und die größere Anzahl an Akkus der Fahrzeuge später für bidirektionales Laden nutzen, um Lastspitzen im Industriebereich zu vermeiden.

Wir in der Elektrobranche müssen nun gemeinsam den Automobilkunden deutlich machen, dass Ladeinfrastruktur in die Elektrobranche gehört. Das Installieren einer Ladeinfrastruktur muss vom angemeldeten Elektroinstallateur/Handwerker durchgeführt werden. Diese Infrastruktur muss dem Energieversorger gemeldet werden, teilweise muss sie in Abhängigkeit von der Anschlussleistung vom Energieversorger auch genehmigt werden. Hinzu kommt neben der Förderung, die bis zu 9.480 Euro (inklusive MwSt.) beträgt, auch der steuerliche Vorteil für die privatgenutzten Fahrzeuge als Dienstwagen.

Die Zukunft wird hier auch noch weitere Veränderungen in der Nutzung eines batterieelektrischen Fahrzeuges bringen. Gerade das Thema bidirektionales Laden wird für uns ein bedeutendes Thema. Wenn ein Fahrzeug zur Netzdienlichkeit genutzt werden kann, ein Gebäude damit betrieben werden kann, die Überschussladung aus der PV-Anlage in dem Auto zwischengespeichert werden kann und Lastspitzen über die dann vorhandenen Parallelen zum netzbefindlichen Elektroauto abgefahren werden können, verändert sich aus meiner Sicht dieser Markt nochmal ganz deutlich. Ohne hier zu optimistisch zu werden, glaube ich, dass diese Entwicklungen den Markt stark befeuern werden. Hierzu sind noch Vorschriften und Gesetze notwendig und auch Vorschriften in der Elektrotechnik von Nutzen. Wenn bidirektionales Laden möglich ist, wird es neue Geschäftsmodelle geben, um diese Energie zu managen, zu vermarkten und netzdienlich anderen zur Verfügung zu stellen.

Die Fahrzeuge werden wie beschrieben häufig im heimischen Umfeld geladen. Wir benutzen hierfür ein bidirektionales Ladesystem. Dazu muss das Fahrzeug mit der Gebäudeinfrastruktur und das Gebäude mit anderen Teilnehmern, wie z.B. mit dem Energieversorger kommunizieren. Die Leistung für das Fahrzeug und das Gebäude wird teilweise vom Energieversorger zur Verfügung gestellt, und teilweise von der eigenen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Das hört sich alles sehr einfach an, ist es aber technisch noch nicht. So wird aber die Zukunft aussehen und der Konsument wird von uns erwarten, dass wir ihm diese Lösungen zur Verfügung stellen können.

Also müssen wir alle daran arbeiten, hier Fachwissen und Kompetenz aufzubauen und auch gewerkübergreifend tätig zu werden. Wir werden in Zukunft in Gebäuden mehrere verschiedene Bussysteme sehen, die miteinander kommunizieren. Allein die Kommunikation im bidirektionalen Laden zu einem Fahrzeug hin, muss noch rechtlich geklärt werden. Und alles was Elektroinstallation im privatgenutzten Eigenheim anbelangt, ist unsere Aufgabe in der E-Branche. Wir müssen erstmals Fahrzeugtechnik, Gebäudetechnik und regenerative Energie in Verbindung mit dem örtlichen Energieversorger zusammenbringen. Ich finde, das ist ein hochspannendes Thema für uns alle.

Da Innovationen immer die Märkte treiben, wird es jetzt relativ schnell gehen, dass die Diskussionen über Elektromobilität in der Gesellschaft ganz tief ankommen werden. Permanent neue Fahrzeuge, neue Konzepte, auch im Bereich der Nutzfahrzeuge, werden auf uns zukommen. Die Fahrzeuge werden einen anderen Nutzen bringen, in Zukunft auch als autonom fahrende Fahrzeuge. Der Markt wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern und wir werden ein Teil dazu beitragen. Parallel dazu wird die alte Verbrennertechnik noch über viele Jahre bestehen bleiben, da sehr viele Fahrzeuge im Einsatz sind. Allein der Austausch dieser Fahrzeuge wird sehr lange dauern. Elektrotechnik ist unsere Fachkompetenz. Elektrotechnik ist das, was wir seit Jahrzehnten können. Deshalb meine Bitte an alle: Begleitet diesen Weg positiv, bedenkt die Prozesse in Euren Unternehmen und erklärt jedem, den Ihr irgendwo trefft, was der Unterschied zwischen kW und kWh ist!

Autor: Kay-Uwe Mihm, Vorsitzender VEG-Landesgruppe Mitte und Vertriebsleiter Neuer Vertriebsbereiche bei der FEGA & Schmitt Elektrogroßhandel GmbH.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der Oktober-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop.

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