Der Chefvolkswirt der Beratungsgesellschaft Prognos, Dr. Michael Böhmer, befasst sich seit mehr als 20 Jahren mit gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Fragen. Er ist ein erfahrener Redner und gibt seine Expertise in regelmäßigen Kolumnen für CEO.Table, das Executive-Briefing für CEOs, weiter. Die Redaktion hat mit Michael Böhmer über seinen letzten Beitrag „Ist Deutschland gar kein Exportland?“ gesprochen, in dem er dazu aufruft, die Stärken des europäischen Binnenmarktes konsequenter zu nutzen.
ElektroWirtschaft: Herr Dr. Böhmer, Deutschland zählte im vergangenen Jahr zu den Top drei Exportnationen, hinter China und den USA. Mit dem Titel Ihrer aktuellen Kolumne „Ist Deutschland gar kein Exportland?“ hinterfragen Sie das. Warum?
Dr. Michael Böhmer: Ich empfehle, einmal den Blick zu weiten und den europäischen Binnenmarkt als das zu betrachten, was er ist. Viele Handelsbeziehungen finden direkt vor unserer Haustür statt. Ob ein Unternehmen Waren oder Dienstleistungen von Nordrhein-Westfalen nach Rheinland-Pfalz verkauft oder in die Niederlande, macht faktisch keinen großen Unterschied. In beiden Fällen handelt es sich um Geschäfte im EU-Binnenmarkt. In der Statistik sieht das jedoch anders aus: Mit einer aktuellen Exportquote von rund 43 Prozent ist Deutschland sehr stark auf den Außenhandel ausgerichtet, was – global gesehen – mit Risiken verbunden ist. Betrachtet man jedoch den EU-Binnenmarkt als deutschen Heimatmarkt und alle Geschäfte als Inlandsgeschäfte, liegt die Exportquote nur noch bei 20 Prozent. Das ist ein enormer Unterschied. Etwa 55 Prozent des Außenhandels führen in Deutschland ansässige Unternehmen mit (EU-)Nachbarländern. Bewertet man diese als Inlandsgeschäfte, wird klar, dass die Risiken des Auslandsgeschäfts insgesamt deutlich niedriger sind.
Gleichzeitig lenkt es den Blick auf die großen Chancen, die der Europäische Binnenmarkt bietet.
ElektroWirtschaft: Sie sehen den EU-Binnenmarkt als Schlüssel für wirtschaftliches Wachstum – für Deutschland und die EU insgesamt. Können Sie das kurz erläutern?
Dr. Michael Böhmer: Der Europäische Binnenmarkt ermöglicht
Unternehmen mit einer Wirtschaftskraft von rund 17 Billionen
Euro den Zugang zu etwa 450 Millionen Verbrauchern. Darin liegt
ein riesiges Potenzial, Handel zu betreiben, das bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Ich denke, für Unternehmen ist es wichtig,
dieses Potenzial und die Chancen, die damit verbunden sind, zu
sehen und zu begreifen.
Das gesamte Interview finden Sie in der Jubiläumsausgabe der ElektroWirtschaft: 07/2025.