Ein halbes Jahr Schneller-Bauen-Gesetz in Berlin: Sekt oder Selters?

Das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben (Schneller-Bauen-Gesetz – SBG) ist am 22. Dezember 2024 in Kraft getreten. Die Berliner Baubehörden haben nun bereits seit über einem halben Jahr die Möglichkeit, auf Basis dieses Gesetzes Genehmigungsverfahren zu bearbeiten.

Sven Häberer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Müller Radack Schultz: „Erste Erfahrungen im Umgang mit den betroffenen Behörden zeigen jedoch, dass eine wirkliche Beschleunigung noch nicht eingetreten ist.” Laut Häberer lassen sich die Gründe für die nicht zu spürende Beschleunigung von Baugenehmigungsvorhaben wie folgt zusammenfassen: Durch die Stärkung der Befugnisse der zuständigen Senatsverwaltung wuchs dort der Bedarf an Fachkräften. Der Senat zahlt schlicht eine Gehaltsgruppe höher als die Bezirke, so dass eine Abwanderung von qualifizierten Kräften von den Bezirken in die Senatsverwaltung beklagt wird. Folge davon ist, dass der bereits vor Inkrafttreten des Schneller-Bauen-Gesetzes vorhandene Mangel an Bearbeiter*innen weiter anwächst. „Unter Berücksichtigung der zunehmenden Verrentung der Baby-Boomer wird dieses Phänomen noch zunehmen”, führt der Anwalt aus.

§ 69 Abs. 2 BauOBln hat durch das SBG folgenden Wortlaut erhalten: „Ist der Bauantrag vollständig, holt die Bauaufsichtsbehörde unverzüglich die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Stellen ein. […] Die beteiligte Behörde oder sonstige Stelle prüft innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Stellungnahmeersuchens die Vollständigkeit der Unterlagen. Ist der Bauantrag unvollständig oder weist er sonstige erhebliche Mängel auf, fordert sie die Bauherrin oder den Bauherrn unverzüglich zur Behebung der genau bezeichneten Mängel innerhalb einer angemessenen Frist auf. […] Die Bauaufsichtsbehörde kann die Stellungnahmefrist um einen Monat verlängern, insbesondere wenn weitere Stellen zu beteiligen sind.“

Die gesetzliche Regelung weist schon in einem Absatz fünfmal darauf hin, dass die zuständigen Behörden durch das Nachfordern von Unterlagen und die hierfür gesetzten Fristen weiterhin die Verfahrensdauer beliebig ausdehnen kann. Häberer dazu: „In Gesprächen mit betroffenen Bearbeiterinnen wird durchaus eingeräumt, dass die Anhörung der beteiligten Behörden oder sonstiger Stellen länger als früher dauert, weil durch die Nachforderung von Unterlagen mangelnde Zeit für die Prüfung kompensiert werden kann. Auch hemmt noch immer die zu geringe Umsetzung der Digitalisierung die Abstimmung unter den beteiligten Behörden und sonstigen Stellen.”

Eine zeitliche Grenze ist nur für Fälle der gesetzlichen Fiktion unter § 69 Abs. 2 BauOBln vorgesehen. Voraussetzung für die dort geregelte gesetzliche Einvernehmensfiktion ist aber erneut: dass die Unterlagen vollständig sind. „Leider wird die Frage, was unter vollständigen Unterlagen zu verstehen ist, nicht einheitlich von den Bezirksämtern beantwortet, so dass schon hierdurch erhebliche Unsicherheit bei den Antragstellern entsteht. Die bisherige Umsetzung des Schneller-Bauen-Gesetzes zeigt – übrigens auch aus Sicht der betroffenen Sachbearbeiterinnen -, dass die Gesetzesänderung nicht von Praktikern verfasst wurde”, so Häberer.

„Es bleibt zu hoffen, dass hier noch einmal nachjustiert wird. Denn die Dauer von Genehmigungsverfahren ist noch immer ein wesentlicher Grund für die geringe Zahl von Neubauten, insbesondere von Wohnraum in Berlin”, fasst Anwalt Häberer in seinem Resümee zusammen.

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