Nicole Steuer und Jens Wehran

„Dieses Jahr war für uns ein Sprung nach vorne“

Über Erfolgsfaktoren – mit und ohne Corona-Krise – sprach die ElektroWirtschaft mit Jens Wehran, seit April 2019 CEO von Rexel Germany und Nicole Steuer General Counsel D/A/CH und Unternehmenssprecher von Rexel Germany. Das Unternehmen führt die Aktivitäten der ehemaligen Hagemeyer Deutschland fort, wurde 2008 Teil der internationalen Rexel-Gruppe und 2017 bis 2019 strategisch neu ausgerichtet. Diese Weichenstellungen und ein modernes Krisenmanagement waren die Basis für eine positive Geschäftsentwicklung in 2020.

ElektroWirtschaft: Welche Bilanz ziehen Sie für 2020?

Jens Wehran: Nach der harten Zeit der Restrukturierung sind wir sehr stolz, dass wir in diesem außergewöhnlichen Jahr eine sehr starke Entwicklung nehmen konnten. Trotz eines negativen Effekts im Industriegeschäft werden wir das Jahr mit einem sehr guten Umsatzwachstum beenden. Unser Fokus lag seit Ende des letzten Jahres verstärkt bei unseren Kunden im Handwerksbereich und wir haben es geschafft, viele Kunden, die uns in den letzten Jahren berechtigterweise das Vertrauen entzogen haben, nachhaltig durch unseren Service wieder zurückzugewinnen.

ElektroWirtschaft: Was waren Erfolgsfaktoren unabhängig von Corona?

Jens Wehran: Bei aller Digitalisierung machen wir ein Geschäft von Mensch zu Mensch und dafür brauchen wir ein motiviertes Team, das Spaß an ihrem Job hat. Unsere Mannschaft ist mit neuem Selbstvertrauen in das neue Jahr gegangen. Des Weiteren haben wir unsere Vertriebsaktivitäten und logistische Leistung deutlich besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden abgestimmt.

ElektroWirtschaft: Wie haben Sie die Herausforderungen der Pandemie bewältigt?

Jens Wehran: Corona hat uns genauso überrannt wie alle anderen. Oberste Priorität hatte der Schutz unserer Belegschaft. Deshalb haben wir im März innerhalb von nur drei Tagen so viele Mitarbeitende wie möglich ins Homeoffice geschickt und unsere Logistikzentren hermetisch abgeriegelt. Durch tägliche Kommunikation inklusive Video-Botschaften haben wir es geschafft, nach dem ersten Schock schnell wieder Zuversicht zu vermitteln und Vertrauen in uns als Arbeitgeber. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass wir unser Ziel erreicht haben, alle 1.300 Beschäftigten ohne finanzielle Einbußen durchzubekommen – ohne Kurzarbeit.

ElektroWirtschaft: Was charakterisiert Ihr Corona-Krisenmanagement?

Nicole Steuer: Wir haben das von Anfang an als Verantwortung des Managements und als Teamleistung verstanden. Wir hatten immer alle im Boot – vom Betriebsrat bis zum betrieblichen Gesundheitswesen und wir sind uns einig, dass wir nicht nur die Mindestanforderungen der Behörden umsetzen. In Absprache mit Ärzten und Technikern haben wir uns immer auf die neuesten medizinischen Erkenntnisse gestützt – beispielsweise bezogen auf Lüftungsanlagen. Unser Betriebsarzt hat Informationsstunden veranstaltet und so alle Erkenntnisse mit den Mitarbeitenden geteilt. Wir haben eigene Testmöglichkeiten und einen Meldeprozess etabliert. Damit konnten wir Infektionsketten und Betriebsschließungen komplett vermeiden.

ElektroWirtschaft: Welche Rolle spielte Ihre Firmenphilosophie?

Jens Wehran: Ohne eine Vertrauenskultur hätte es nicht so gut funktioniert, dass 90 Prozent unseres Vertriebs im Homeoffice arbeitet. Das war ungewohnt für unsere Führungskräfte, aber Microsoft Teams hat uns sehr geholfen. Als Teil eines großen Konzerns haben wir zum Glück, sehr schnell alle nötigen Lizenzen bekommen. Die Weiterleitung von Telefonanrufen hat auch problemlos funktioniert. Dadurch waren wir für Kunden und Lieferanten unverändert ansprechbar – die Zahl der Lost Calls ist nicht gestiegen.

ElektroWirtschaft: Wie sind Sie mit dem Thema Masken umgegangen?

Nicole Steuer: Weil wir dem medizinischen Personal keine Schutzausrüstung entziehen wollten, haben wir unseren Vertrieb von FFP-Masken temporär eingestellt und unsere Bestände – einschließlich Desinfektionsmittel – gespendet. Weil wir früh von der Schutzwirkung überzeugt waren, sind wir noch vor der Maskenpflicht aktiv geworden. Wir haben bewusst keine der damals im Gesundheitswesen so dringend gebrauchten OP-Masken verwendet, sondern Stoffmasken von einem lokalen Unternehmen herstellen lassen – von einer Dirndlschneiderei. So haben wir ein lokal ansässiges Unternehmen unterstützt und als Münchener Unternehmen auch noch bayerische Designs bekommen, die bei uns im Unternehmen inzwischen fast einen gewissen Kultstatus erreicht haben. Inzwischen haben wir schlichte Designs mit Rexel-Logo – aber wieder von einem Hersteller in der Nähe, der nachhaltig produziert.

ElektroWirtschaft: Welche Strategien hatten Sie für den Umgang mit Kunden und Lieferanten?

Jens Wehran: Wir wollten in der Krise ein verlässlicher und fairer Partner sein. Deshalb haben wir keine Gewinne mit verknappten Produkten erzielt, sondern unsere Preise stabil gehalten. Wir waren immer lieferfähig und hatten unsere Vorräte in den Wochen vor dem ersten Lockdown vorausschauend aufgefüllt. Natürlich gab es bei unseren Produkten auch einige, die kurzfristig nicht verfügbar waren – aber das haben wir sehr transparent gehandhabt. Geholfen hat uns die fast tägliche Abstimmung mit den Herstellern und die Tatsache, dass wir Markenprodukte europäischer Lieferanten vertreiben. Es hat sich in der Krise gelohnt, dass wir Qualität aus verlässlichen Quellen verkaufen. Ich bin davon überzeugt es wird sich weiter lohnen, auf langfristige Partnerschaften mit Lieferanten und Kunden zu setzen, die allen Beteiligten Sicherheit bieten.

ElektroWirtschaft: Wie beurteilen Sie die Auswirkung der Corona-Krise auf den Elektrogroßhandel insgesamt?

Jens Wehran: Der Elektrogroßhandel hat in der Krise gewonnen. Nicht nur weil uns die Politik unsere Systemrelevanz bescheinigt hat, sondern auch weil wir unsere Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt haben. Mir ist an dieser Stelle aber wichtig zu betonen, dass unsere Existenzberechtigung auch ohne Corona weiter gegeben ist: Es ist unsere Kompetenz, die richtigen Produkte an die richtigen Kunden zu vermitteln und sehr hohe logistische Anforderungen zu erfüllen. Diesen Mehrwert werden wir als Elektrogroßhandel auch in Zukunft erbringen.

ElektroWirtschaft: Wie können 2021 Neuheiten kommuniziert werden, wenn es keine oder nur wenige Messen gibt?

Jens Wehran: Es war schon immer unser Job als Teil der Kette im dreistufigen Vertriebsweg, neue Produkte sichtbar zu machen. Wenn Messen abgesagt werden, sind wir mehr denn je gefragt. Da müssen jetzt alle umdenken und das lohnt sich, weil die Messelandschaft nach Corona sowieso nicht mehr so sein wird, wie sie einmal war. Wir haben in 2020 bewusst auf digitale Messen verzichtet, weil wir andere Prioritäten hatten. Aber jetzt sind wir dabei, gemeinsam mit den Herstellern Möglichkeiten auszuloten, wie wir die Neuheiten über unser Vertriebsnetz gezielt zu den richtigen Kundengruppen bringen können. Sollten 2021 doch Messen stattfinden können, sind wir für alles offen. Reale Produkte, die man in die Hand nehmen kann und persönliche Kontakte haben einen unschätzbaren Wert. Aber in der Corona-Krise haben wir gelernt, dass es auch andere Wege gibt und dass diese weniger aufwändig sein können.

ElektroWirtschaft: Sehen Sie einen Digitalisierungs-Push durch Corona?

Jens Wehran: Keinen plötzlichen Push, aber Fortschritte, die sonst mehrere Jahre gedauert hätten. Das gilt beispielsweise für Online-Schulungen. Vor Corona herrschte oft die Einstellung, dass diese digital nichts wert sind. Jetzt wird der gleiche Preis wie für Präsenzformate akzeptiert.

ElektroWirtschaft: Wie sind Sie bei Rexel Germany in den zweiten Lockdown gegangen?

Jens Wehran: Das war im November deutlich entspannter, weil wir die Erfahrung gemacht hatten, dass unsere Organisation sehr flexibel sein kann. Außerdem herrschte weniger allgemeine Panik als im März, weil der Weltmarkt nicht zusammengebrochen ist und die Exportnation Deutschland sich besser schlägt als befürchtet. Grundsätzlich sind wir zuversichtlich und empfinden es auch als Glück, dass wir in einer Branche arbeiten, die noch konjunkturell sehr gut dasteht. Aber natürlich müssen wir weiter achtsam sein.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der Januar-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop.

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