„Die Frage nach der Zukunft des Wohnens ist komplex“

Die Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern beleuchtet die vielschichtigen Aspekte zukünftigen Wohnens. Trotz fortschreitender Technologie bleiben soziale und ökologische Faktoren entscheidend. Sie erklärt, wie gesellschaftliche Veränderungen und neue Bedürfnisse Wohntrends prägen und warum sich diese oft langsamer entwickeln als erwartet.

ElektroWirtschaft: Frau Horx Strathern, Sie beschäftigen sich intensiv mit der Zukunft des Wohnens. Wie wird sich unser Zuhause in den nächsten Jahrzehnten verändern?

Oona Horx Strathern: Die Frage nach der Zukunft des Wohnens ist komplex. Oft erwarten wir, dass Veränderungen schneller geschehen, als sie tatsächlich eintreten. Beim Wohnen sind wir im Kern Gewohnheitstiere: Grundbedürfnisse wie Bad und Küche bleiben zentral. Die großen Zukunftsvisionen der 1960er, von selbst putzenden Häusern sind Fantasie geblieben. Technologie spielt zwar eine Rolle, aber soziale und ökonomische Aspekte sind ebenso wichtig. Was sich jedoch schnell ändert, ist unser Energiebedarf. Hier sehe ich großes Potenzial für Architektur und Design, insbesondere im Bereich der Solarenergie und energieeffizienten Häusern. Ein Blick auf die Gesellschaft zeigt veränderte Familienstrukturen und mehr Single-Haushalte, was zu wachsender Einsamkeit führt. Gleichzeitig beobachten wir einen Gegentrend: Das Bedürfnis nach Gemeinschaft. Daraus entstehen neue Wohnformen, sogenannte individualisierte Gemeinschaften. Dieser Begriff klingt paradox, doch er vereint den Wunsch nach Individualität und sozialer Interaktion. Beispiele hierfür sind Co-Living und Intentional Communities, in denen Menschen mit ähnlichen Werten zusammenleben. Diese Entwicklung ist sowohl in der Stadt als auch auf dem Land besonders spannend, da sie aufzeigt, wie sich unsere Wohnbedürfnisse wandeln und neue gemeinschaftliche Wohnkonzepte entstehen.

ElektroWirtschaft: Wenn solche Wohnkonzepte an Bedeutung gewinnen – welche verlieren dann an Relevanz?

Oona Horx Strathern: An Relevanz verliert das klassische Einfamilienhaus mit zwei Kindern – einst das Idealbild, heute oft an den Lebensrealitäten vorbeigehend. Zukunftsweisend sind stattdessen neue Wohnmodelle, wie sie beispielsweise in Skandinavien zu finden sind: In Helsingborg gibt es ein Wohnprojekt, in dem unter 25-Jährige mit über 70-Jährigen zusammenleben – zwei Gruppen, die besonders häufig unter Einsamkeit leiden. Im Mietvertrag steht, dass sie mindestens zwei Stunden pro Woche gemeinsam verbringen müssen. Die Praxis zeigt, dass die meisten diese Zeit gerne überschreiten, weil echte Gemeinschaft entsteht. Auch in Wien gibt es mit dem „Sieben Stock Dorf“ einen interessanten Ansatz: Ein Zusammenschluss von rund 70 Personen – Singles, Familien, Ältere –, die sich bewusst für kleinere Wohnflächen entschieden haben, dafür aber Gemeinschaftseinrichtungen wie eine große Küche, Balkone, Sauna oder Gästezimmer teilen. Gerade angesichts steigender Mieten ist das ein zukunftsfähiges Modell: Weniger Wohnfläche, dafür mehr Lebensqualität durch geteilte Infrastruktur.

Das gesamte Interview finden Sie in der Jubiläumsausgabe der ElektroWirtschaft: 07/2025.

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