„Das Geschäft wird zwischen Menschen gemacht – aber anders“

Vom 17. bis 19. September 2020 sind die Jungen Führungskräfte im VEG zu Gast bei der Alfred Pracht Lichttechnik GmbH in Dautphetal. Vorab haben wir mit dem Geschäftsführer Jonathan Pracht gesprochen und Einblicke in die Arbeitsweise und Gedankenwelt des Leuchtenherstellers erhalten.

ElektroWirtschaft: Pracht ist ein Familienunternehmen und hat viele Meilensteine zu verzeichnen. Wo steht das Unternehmen heute?

Jonathan Pracht: Unser Unternehmen können wir aus drei Blickwinkeln betrachten: In Bezug auf den sozialen Kontext ist Pracht ein gewachsenes Familienunternehmen, unser Ursprung geht auf das Jahr 1923 zurück. Über die Jahre hinweg haben wir Strukturen und Abläufe etabliert, die uns ein kontinuierliches Wachstum ermöglicht haben. Dabei haben wir unsere Werte aber nicht vergessen. Auch im technologischen Kontext können wir einige Meilensteine notieren: Zunächst kam die LED-Leuchte, für uns damals der erste große technologische Umbruch. Jetzt befinden wir uns mitten in der Verschmelzung der verschiedenen Anwendungen – Stichworte wie IoT und Sensorik sind hier zu nennen. Generell ist das Zusammenspiel von Lichttechnik, Beleuchtung und Gebäudetechnik aus unserer Sicht noch nie so deutlich zu beobachten wie heute. Aus dem marktbezogenen Kontext heraus stehen wir vor neuen Fragen. Etablierte Geschäftsmodelle erfahren Veränderungen, die aktuelle Corona-Pandemie stellt uns vor neue Herausforderungen. Hier müssen wir wachsam sein.

ElektroWirtschaft: „Wenn die Leuchte nicht stabil ist, steht mein Name nicht drauf“, sagte Gründungsvater Alfred Pracht. Welche Werte sind für Ihr Unternehmen kennzeichnend?

Jonathan Pracht: Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz. Diese Werte leben wir sowohl intern mit unseren Mitarbeitern, als auch extern in Richtung Kunden und Dienstleister. Wir sind nahbar und persönlich, heute mehr denn je. Wir bezeichnen Pracht in Summe als relativ unkompliziertes Unternehmen. Das war auch einmal anders. Eine Kundenbefragung im Zuge unseres Marken-Relaunches 2013 hat ergeben, dass wir für zu kompliziert und technikaffin gehalten wurden. Das haben wir aufgebrochen und kommunizieren unsere Themen sehr direkt.

ElektroWirtschaft: Das Thema Nachhaltigkeit ist fest in der Unternehmens-DNA verankert. Ein reines Trendthema oder eine große Verantwortung?

Jonathan Pracht: Im Allgemeinen glaube ich, dass Nachhaltigkeit ein Trendthema ist. Je nach Nachrichten- oder Ereignislage gewinnt oder verliert das Thema an Bedeutung. Es liegt in unserer Verantwortung, Nachhaltigkeit als fest verankertes Element zu etablieren. Sie wird auch immer wieder die Ausrichtung unserer Zukunft bestimmen. Bereits 2006 haben wir das erste Produkt aus nachwachsenden Rohstoffen auf den Markt gebracht, das ist inzwischen 14 Jahre her. Wir sind also auf keinen Zug aufgesprungen, sondern haben uns schon sehr früh überlegt: Wo können wir einen Unterschied machen? In der Elektrobranche sind wir Hersteller in der Pflicht, nachhaltige Alternativen zu bieten. Als erster Hersteller haben wir eine Leuchte produziert, welche zu 100 Prozent aus Konsumenten- und Industriemüll besteht. Wir haben außerdem das Programm „Rebuild“ ins Leben gerufen. Alte Strahler werden von den Kunden eingeschickt und bei uns generalüberholt. Insgesamt reagiert der Elektrogroßhandel auf das Thema flächendeckend sehr unterschiedlich, nachhaltige Produkte finden sich nur stellenweise im Lagersortiment wieder.

ElektroWirtschaft: Ein immens wichtiges Thema, das in den letzten Monaten an Dynamik gewonnen hat: die Digitalisierung. Welche Schritte unternehmen Sie hin zur digitalen Transformation?

Jonathan Pracht: In den vergangenen Monaten haben wir die Umsetzung der digitalen Transformation so schnell durchgeführt, wie wir uns das selbst nicht hätten vorstellen können. Von heute auf morgen können wir zentral oder dezentral arbeiten. Damit haben wir auch die Grundlage für weitere Umstellungen auf der Prozessebene geschaffen. Eines der größten Themen für uns wird die Digitalisierung der Kommunikation sein. Die coronabedingte Situation hat gezeigt, welchen Stellenwert der persönliche Kontakt hat und auch in Zukunft haben wird. In Kombination mit der richtigen digitalen Kommunikation eröffnet uns das ganz neue Möglichkeiten. Trotzdem: Das Geschäft wird unter Menschen gemacht.

ElektroWirtschaft: Wie beurteilen Sie den dreistufigen Vertrieb, wird sich das Geschäftsmodell in der Zukunft – gerade im Bereich Licht – ändern müssen?

Jonathan Pracht: Jede Elektrogroßhandlung wird für sich verschiedene Wege einschlagen, sei es durch den Fokus auf Services und Dienstleistungen oder die Konzentration auf Logistik und Abwicklung. Bereits jetzt stellen wir gravierende Veränderungen fest und sind der Meinung: Die Dreistufigkeit kann nicht zum Selbstzweck erhalten werden. Der Großhandel muss mit der Industrie und dem Handwerk neue Konzepte entwickeln und in den offenen Austausch gehen. Den Endkunden muss klar sein, welchen Beitrag die jeweilige Vertriebsstufe leistet.

ElektroWirtschaft: Deutsche Hersteller stehen durch asiatische Anbieter unter hohem Preisdruck, trotzdem wird eine 1A-Qualität erwartet. Welche Argumente gibt es für „Made in Germany“?

Jonathan Pracht: Früher war das Thema „1A-Qualität“ das Synonym für „Made in Germany“. Aus meiner Sicht ist aber der Qualitätsanspruch in Asien immens gewachsen. Wir müssen uns eher die Frage stellen, wie wir als Hersteller weiterhin in Deutschland produzieren können. Unsere Produkte müssen intuitiv, die Produktion sollte nachhaltiger sein – der Fokus liegt dabei auch auf kurzen Lieferketten und der CO2-Kompensation. Vor allem aber sollten wir an Geschwindigkeit zulegen. „Made in Germany“ könnte coronabedingt einen großen Impuls bekommen. Der Machtkampf zwischen China und den USA zeigt ja gerade, wie abhängig wir eigentlich sind. Meiner Meinung nach sollte „Made in Europe“ mehr im Fokus stehen, damit möchte ich mich aber nicht von „Made in Germany“ distanzieren. Generell sind wir aber von dem Argument „Du musst deutsche Qualität kaufen“ inzwischen entfernt.

ElektroWirtschaft: Die deutsche Wirtschaft hat durch die Coronakrise große Herausforderungen zu meistern. Inzwischen schaut die Elektroindustrie etwas positiver in die Zukunft. Wie bewerten Sie die vergangenen Monate? Und wie ist Ihr Ausblick für das 2. Halbjahr 2020?

Jonathan Pracht: Die Vergangenheit können wir in drei Worten zusammenfassen: lehrreich, schätzenswert und unverzichtbar. Wir haben unser komplettes Arbeitsumfeld geändert und sind an unseren Aufgaben gewachsen, das möchte ich nicht missen. Wir blicken positiv in die zweite Jahreshälfte. Dennoch macht uns die Buchungslage im Handwerk etwas Sorgen. Wir stellen einen minimalen Auftragsrückgang fest und wir wissen nicht, ob es einen erneuten Boomerang geben wird.

ElektroWirtschaft: Sie sind in diesem Jahr Gastgeber der Tagung der Jungen Führungskräfte im VEG. Können Sie uns einen kurzen Vorgeschmack auf das Programm geben?

Jonathan Pracht: Folgende drei Fragen werden uns während der Tagung beschäftigen: Wie kann die Elektrobranche in Zukunft handlungsfähig bleiben? Wie können wir unsere Zukunft eigenverantwortlich gestalten? Welche Haltung haben wir gegenüber den heutigen und noch anstehenden Veränderungen, die unsere Branche durcheinanderbringen werden? Dazu werden wir von unserer Seite Impulse liefern und externe Experten hören. Wir freuen uns sehr auf den Austausch und den persönlichen Kontakt – gerade in diesen Zeiten.

ElektroWirtschaft: Die Tagung steht unter dem Motto „Gestern. Heute. Morgen.“ Hat die Elektrobranche zu spät in die Zukunft investiert?

Jonathan Pracht: Meiner Meinung nach wurde im Allgemeinen nicht zu spät investiert. Die Elektrobranche hat generell ein enormes Investitionspotenzial. Handel und Handwerk hätten sich allerdings früher Gedanken machen müssen, wie die Zusammenarbeit in Zukunft aussieht. Mittlerweile stehen wir unter großem Zeitdruck und müssen Antworten liefern. Ich denke, dass die Branche gut digitalisiert ist und in Technologien investiert hat. Aus der Sicht der vertikalen Vernetzung haben wir gute Arbeit geleistet. Die horizontale Vernetzung hat allerdings zu spät stattgefunden. Auf Herstellerebene kann man das gut erkennen, wie sich jeder mit einer eigenen Lösung unverzichtbar machen wollte. Mittlerweile findet ein Aufbrechen der vertikalen Denke statt – wir brauchen offene Systeme, die sich gegenseitig ergänzen. Das hat die Elektro­branche in Deutschland zu spät bedacht.

Den Nachbericht zur Tagung lesen Sie in der Oktober-Ausgabe der ElektroWirtschaft – jetzt den 28. Oktober vormerken.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der September-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Sie können die Ausgabe hier digital lesen oder hier als Einzelheft bzw. als Abo bestellen.

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