Wie geht es der Industrie?

Geht es der Industrie gut? Blickt sie sorgenfrei in die Zukunft? Wir haben beim ZVEI-Chefvolkswirt nachgefragt. Denn die aktuelle Konjunkturumfrage des Verbandes der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) meldet für den August deutliche Zuwächse. Aufträge steigen um 13 Prozent, der Umsatz sogar um 22. Das reale Wachstum der Produktion liegt noch bei neun Prozent. Doch bildet das ein treffendes Bild der Lage ab oder lauern neue Gefahren? Das wollten wir von ZVEI-Chefvolkswirt Dr. Andreas Gontermann wissen und haben ihm vier Fragen zur Lage der Wirtschaft gestellt.

Dr. Gontermann, welche Risiken und Chancen gibt es Ihrer Meinung nach?
Dr. Andreas Gontermann: Wie so viele andere Branchen steht auch die deutsche Elektro- und Digitalindustrie aktuell vor multiplen Herausforderungen. Zu nennen sind hier die hohe Inflation, die anhaltenden Lieferkettenprobleme, die der Null-Covid-Strategie geschuldeten Corona-Einschränkungen in China oder die Folgen des Ukraine-Kriegs, die sich insbesondere in Europa in massiv steigenden Energiepreisen niederschlagen. Zudem ist es weiterhin nicht gut um die internationale Handelsordnung bestellt. Erinnerlich ist etwa der Handelsstreit zwischen China und den USA bis heute nicht gelöst. Trotz dieser Widrigkeiten ist unsere Branche im bisherigen Jahresverlauf noch gewachsen.

Wie kann die Branche darauf reagieren?
Gontermann: Bereits in der Finanz- und Staatsschuldenkrise ab 2008 sowie in der Corona-Pandemie haben die Unternehmen sehr flexibel reagiert. Die Versorgungsschwierigkeiten haben dafür sensibilisiert, dass es – je nachdem – mehr (technologische) Souveränität, mehr Diversifizierung, mehr Regionalisierung oder mehr Lagerhaltung braucht. Immerhin eröffnen Krisen doch auch Chancen. Gerade die Lösungen der Elektro- und Digitalindustrie ermöglichen etwa, Energieeffizienzpotenziale tatsächlich auch zu heben. Die digitale und grüne Transformation wird sich jetzt noch mehr beschleunigen müssen, also das ohnehin schon der Fall war.

Was muss die Politik noch tun?
Gontermann: Die Regierung hat bereits einige fiskalische Maßnahmen verabschiedet und Entlastungspakete geschnürt. Letztlich muss sie den Spagat schaffen, Wirtschaft und Verbraucher zu unterstützen, ohne den Marktmechanismus mit seinen Preissignalen außer Kraft zu setzen. Dabei dürfen Anreize, in die Digitalisierung und Elektrifizierung zu investieren, nicht verloren gehen.

Auf was müssen Händler und Großhändler, Handwerker und Endkunden sich einstellen?
Gontermann: Wenn man so will, stellt die gegenwärtige Energiekrise einen klassischen Angebotsschock dar. Er betrifft die gesamte Volkswirtschaft, also alle Wirtschaftseinheiten, wenn auch nicht gleichermaßen. Zwar kann der Staat diesen Schock sowie den damit einhergehenden Preisauftrieb nicht neutralisieren; er kann aber dabei helfen, die Lasten vergleichsweise fair zu verteilen, und Investitionen befördern, die den gegenwärtigen Knappheiten mittel- bis langfristig entgegenwirken.

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